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Mit Amazing Feet und Shropshire Shufflers durch
Wales
Ferien
in Wales bedeutet in erster Linie: Wandern. Für einen passionierten Dauerläufer
ist es keine Frage, wie dazwischen für Abwechslung gesorgt werden kann. Durch
die Teilnahme an einem Volkslauf.
Schon frühzeitig hatte ich den Veranstaltungskalender studiert und die Reiseroute nach dem ausgesuchten Termin geplant. Ein Halbmarathon sollte es sein. Rund um Lake Vyrnwy, einen Stausee, der sein Wasser nach Liverpool schickt. Startort Llanwddyn, ein kleines Dorf in Mittelwales, dort wo es am einsamsten ist.
Bis England ist es nicht weit. Der veranstaltende Verein kommt aus dem englischen Oswestry. Von Einsamkeit ist heute keine Spur. Auf der Liste der vorangemeldeten LäuferInnen stehen über 550 Teilnehmer. Beim Warmlaufen lassen sich handgemalte Startnummern über 600 ausmachen. Die Erwartungen wurden offensichtlich übertroffen, und man hat flexibel reagiert.
Wer beim Start britische Zurückhaltung wie an der Bushaltestelle erwartet, wird enttäuscht. Vorne wird um jeden Fußbreit (feet) gefeilscht, wie von daheim bekannt. Aus den hinteren Reihen betrachten wir das Spiel mit Distanz. Dann wird geschossen. Ein typisch britischer Sprühregen wird gleich mit ausgelöst.
In der Ausschreibung wird die Strecke lockend als flach bezeichnet. Das stimmt auch - zu 90%. Zunächst geht es nämlich eine Meile lang bergauf, vom Talboden bis auf Staumauerhöhe. Da heißt es locker bleiben. Dann windet sich die Läuferschlange mit der schmalen Uferstraße. Wer die Ideallinie laufen will, muß aufmerksam vorausschauen, und wird durch unerwartete Überholvorgänge belohnt. Allmählich finden wir unser Tempo, und ich mache es mir im Laufschritt gemütlich.
Fast alle LäuferInnen tragen Vereinsfarben. Dem Einfallsreichtum sind bei der Namensfindung keine Grenzen gesetzt. Oswestry Olympians ist zu lesen und Amazing Feet. Am besten gefällt mir Shropshire Shufflers.
Wir laufen im Uhrzeigersinn um den See. Der Autoverkehr
ist für die Zeit des Laufes nur in
Gegenrichtung zugelassen. Mehr als ein Dutzend Fahrzeuge kommen uns aber nicht in die Quere. Das
entspricht hier der üblichen Verkehrsdichte.
Der Stausee wurde 1990 hundert Jahre alt. Das war Zeit genug, um die künstliche Wasserfläche in die Natur einzufügen. Der alte Waldbestand reicht bis ans Ufer herab. Der Wasserspiegel bleibt nach zwei trockenen Sommern jedoch in unteren Regionen, und das trübt den optischen Genuß. Soweit wie 1973, als die Einwohner von LLanwddyn in ihrem versunkenen Dorf spazieren gehen konnten, ist es heute aber noch nicht.
Übrigens: Einen mächtigen Schritt nach vorn bei der Aussprache walisischer Namen macht, wer das w wie ein deutsches u ausspricht. Wenn dann noch dd zum englischen th wird und ll zu einem deutschen chl, so sind erste Achtungserfolge sicher.
Im Ziel werden wir namentlich begrüßt von einem schwungvollen Ansager ("give him a cheer!"), der die Starterliste wetterfest auf einer riesigen Tafel vor sich aufgebaut hat. Kostümierte Läufer - wie etwa von Bildern des London-Marathons bekannt - sucht man vergebens. Dieses Rennen wird ernst genommen. 17 Läufer unter 70 Minuten, 282 Läufer und 12 Läuferinnen unter 1,5 Stunden. 555 im Ziel, davon 73 Frauen. Nachahmenswert ist die Klasseneinteilung. Die Hauptklasse (seniors) reicht bei Männern bis 39, bei Frauen bis 34, danach (veterans) geht es im 5-Jahres-Rhythmus weiter.
Die computer-erstellte Ergebnisliste wartet schon zu
Hause, als ich zwei Wochen
später aus dem Urlaub zurückkehre. Die Erinnerung
weckt die Vorfreude auf weitere Urlaubsstarts. Wales hat
LäuferInnen auch ganz besondere Erlebnisse zu bieten, wie z.B. Race the
Train, ein Crosslauf über 22 km, bei dem man sich mit einer historischen
Schmalspurbahn messen kann, oder etwa Man vs Horse vs Mountain
Bike, ein
Wettlauf mit Rössern und Radlern. Ganz zu schweigen von Wanderungen in drei
Nationalparks, an steilen Küsten und stillen Sandbuchten, durch einsame
Hochmoore und auf Berge von einer Art, wie man sie sonst nirgends findet.
Veranstaltungshinweise
und weitere Laufberichte zu den erwähnten Veranstaltungen findet in man in der
englischen Ausgabe
von Runners
World.
Oder direkt bei den Oswestry
Olympians.
copyright Uli Sauer, Witten